Architektur der Begegnung
Innenhof der Kalkbreite © Volker Schopp

Problem

Als Architektur der Begegnung werden Räume und das direkte bauliche Umfeld bezeichnet, die die Interaktion zwischen Bewohner:innen ermöglichen und fördern. Welche Raumqualitäten werden benötigt, um Austausch und Innovation zu fördern? Wie muss Architektur konzipiert sein, damit sie offen ist und angeeignet werden kann? Welche räumlichen Möglichkeiten müssen gegeben sein, damit passive und aktive Interaktion sowie beiläufige und geplante Begegnungen entstehen können?

Allgemeine Beschreibung

Architektur der Begegnung sind Gebäude und Orte, die für das Zusammenkommen sowie die Begegnung von Menschen angelegt sind und durch deren räumliche Gestaltung Gemeinschaft fördern. Soziale Interaktion ist ein wichtiger Aspekt des Gemeinschaftslebens und kann in aktive Interaktion – geplante gemeinschaftliche Aktivitäten und passive – zufällige Begegnungen unterteilt werden (Mauser 2016, S. 71). Unbeabsichtigte Begegnungen werden durch Atrien, offene Treppen/-häuser, Höfe, Sitzgelegenheiten und Plätze mit weitem Ausblick gefördert. Diese offenen Räume begünstigen Dialog und Austausch, woraus wiederum Kreativität und Innovation entstehen (Poelman et al. 2015, S. 3). 

Für die aktive Interaktion stehen konkrete Räume zur Verfügung, die mit dem Fokus auf Gemeinschaft, Kommunikation und Nutzungsvarianz gestaltet sind. Hier spielen besonders Lage und Zugänglichkeit eine Rolle: Sie sollten einladend, für alle zugänglich, idealerweise zentral gelegen und gut einsehbar sein. Die darin stattfindenden gemeinschaftlichen Aktivitäten können das Gemeinschaftsgefühl fördern (Mauser 2016, S. 72). Eine Sonderform stellen Arkaden dar – sie können als reine Zugänge, diskrete Treffpunkte, aber auch als Kommunikationsbereiche konkrete Räume sein (Mauser 2016, S. 74).

In Cohousing-Gemeinschaften sind auch die Räume der täglichen Lebensaktivitäten begegnungsfördernd. Neben Gemeinschaftsräumen und Pufferzonen zwischen privaten und öffentlichen Räumen, fördern die besondere Nähe der Wohnungen zueinander, die qualitativ hochwertigen und flexiblen Gemeinschaftsräume und gemeinsame Wege die Interaktion der Bewohner:innen (weitere Informationen zu den Social Contact Design Principles siehe Mauser 2016, S. 70 f.). Möglichkeiten der baulichen Gemeinschaftsorientierung sind außerdem die Verbindung von Gebäudestrukturen, zum Beispiel durch eine Gemeinschaftsterrasse, einen Innenhof oder Laubengänge als zusätzliche Flächen, die allen Bewohner:innen zur Verfügung stehen (Mauser 2016, S. 234).

Beispiele

Die Kalkbreite ist ein vielfältiger Ort der Begegnung und des Austausches, der durch die Architektur und die Kombination verschiedenster Nutzungen (Straßenbahndepot, Wohnen, Arbeiten und Kultur) und Wohnkonstellationen entsteht. Ausgehend von einem partizipatorischen Planungsprozess, bietet es einen 2.500 m2 großen überdachten Innenhof, der allen Bewohner:innen sowie der Öffentlichkeit als Erholungsraum zur Verfügung steht. Ebenso steht ein Angebot von Kleinwohnungen bis zu Clusterwohnungen, Dachterrassen, und vermietbare Räume zur Verfügung. Die vielseitig nutzbaren Gemeinschaftsflächen reichen von einer Halle, einer Cafeteria, einer Bibliothek und Gemeinschaftsküchen bis hin zu besonderen Erschließungswegen – der Rue Intérieure. Diese gemeinsam genutzten Flure stellen einen wichtigen Ort für Treffen, Austausch und Aufenthalt dar (Poelman et al. 2015, S. 1).

Atrium im La Borda © Lluc Miralles

Erkenntnisse und Synergien

Die Architektur der Begegnung kann auf vielfältigen Ebenen wie Stadt- und Außenraum, Dachflächen, Innenhöfen, Erschließungsstrukturen, Wohnungskonstellationen, Gemeinschaftsräumen oder durch Sichtbeziehungen stattfinden – wesentlicher Bestandteil sind dabei flexible Nutzungsmöglichkeiten, Zugangswege und -strukturen (Mauser 2016, S. 232). Sie sind wichtig, um soziale Interaktionen zu ermöglichen und das Gemeinschaftsgefühl zu fördern, können aber zugleich nie ein Garant dafür sein (Poelman et al. 2015, S. 3). Die Größe der Gemeinschaftsräume sollte in Relation zu der restlichen Wohn- und Nutzfläche stehen, als Orientierungswert gelten 3 – 5 % der Gesamtfläche, damit Kosten und Nutzen ausgewogen bleiben (Mauser 2016, S. 236). Darüber hinaus sollte eine Architektur der Begegnung Aneignungsprozesse unterstützen. Ist die Architektur erschwinglich, kann sie auch dazu beitragen, dass Begegnungen und soziale Interaktionen zwischen Menschen unterschiedlicher sozioökonomischer Voraussetzungen durch die Nähe zueinander ermöglicht werden (Poelman et al. 2015, S. 3). Neben der architektonischen Anordnung von Zugangswegen, den Gebäuden zueinander sowie privaten und halböffentlichen Räumen, erzeugt ein gemeinsamer Planungs- und Entwicklungsprozess bereits Begegnung und eine gemeinsame Vision (Mauser 2016, S. 234 ff.).

Sources

Genossenschaft Kalkbreite (n.y.): Anleitung Kalkbreite: Gemeinsam nutzen. Accessed on 16.04.2021 from http://anleitung.kalkbreite.staging-flake.tk/gemeinsam-nutzen.html

Mauser, J. M. (2016): Gemeinschafts(t)räume. Stuttgart: Universität Stuttgart. 

Poelman, W. A., Voorbij, A. & Bouma, J. (2015): Supporting social contact design principles in common areas of cohousing communities (Doctoral dissertation).