Nutzungsmischung von Wohnen, Arbeiten und Kultur
Ausstellungsfoyer in Nova Cernovka Bratislava © Michael Prytula 2020

Problem

Aus der Funktionstrennung der Stadtplanung der klassischen Moderne gingen stark entmischte Städte hervor, in denen außerdem verstärkte Segregationstendenzen zu beobachten sind (difu 2015, S. 6). In der zunehmenden räumlichen Ausdifferenzierung von sozialen Gruppen (wird) die Gefahr gesehen, dass sich die Identifikation mit der Gesamtstadt Stück für Stück auflöst und der solidarische Zusammenhalt schwindet (difu 2015, S. 7). Die Trennung der Nutzungen Wohnen, Arbeiten und Kultur erzeugt zudem ein hohes innerstädtisches Verkehrsaufkommen, dass durch eine asymmetrische Verteilung in den Morgen- und Abendstunden verstärkt wird und insgesamt hohe CO2-Emissionen zur Folge hat (Bott et al. 2018, S. 48). Doch wie können sozial und ökonomisch stabile und ökologisch nachhaltige Bewohnerstrukturen geschaffen werden? Wie kann die Planung und Umsetzung einer kleinräumigen Nutzungsmischung mit einer Verflechtung von Wohnen, Arbeiten und Kultur gelingen?

Allgemeine Beschreibung

Kleinteilige und differenzierte Nutzungsstrukturen sind Schlüsselelemente für urbane Vielfalt, soziale Qualitäten, Sicherheit und lebendige Quartiere, denn städtisches Leben entsteht aus der Überlagerung vielfältiger Funktionen und Aktivitäten aller Lebensbereiche durch die Stadtbewohner:innen (Bott et al. 2018, S. 47). Gemischte Nutzungsstrukturen erleichtern den gesellschaftlichen sowie wirtschaftlichen Austausch und bilden aufgrund ihrer Anpassungsfähigkeit robuste Strukturen gegenüber Veränderungen wirtschaftlicher und sozialer Rahmenbedingungen (difu 2015, S. 6). Neben Nutzungsmischung sind eine angemessene (städtebauliche) Dichte, eine Stadt der kurzen Wege, städtebaulichen und architektonischen Qualitäten sowie soziale Diversität weitere wichtige Parameter für attraktive Quartiere (Bott et al. 2018, S. 161, 173; BBSR 2017). Nutzungsmischungen können auf der Ebene des Quartiers, des Blocks oder des Gebäudes horizontal oder vertikal umgesetzt werden. Eine zentrale Rolle spielt aber meistens die gewerblich oder kulturell genutzte Erdgeschosszone, die zu einer nachhaltigen Belebung und höheren Attraktivität des öffentlichen Straßenraums beiträgt (Bott et al. 2018, S. 66). Unterstützend hierbei ist eine funktionale und typologische Vielfalt der Nutzungen und Räume sowie flexible und nutzungsneutrale Grundrisse (Bott et al. 2018, S. 72).

Beispiele

Das Areal der Rommelmühle vereint zehn Gebäude mit unterschiedlich großen Wohnungen für rund 200 Menschen, einem Kulturraum, Brauhaus, Büros mit etwa 60 Arbeitsplätzen, Kindergarten, Veranstaltungsraum, Supermarkt, mehreren Jugendräumen, einer Werkstatt und dem Mühlenhof als verbindendes Element (mb-netzwerk GmbH, o.J.). Dadurch hat die Rommelmühle gute Voraussetzungen für ein lebendiges Mehrgenerationenwohnen. Der durch den Zusammenschluss der Anwohner:innen entstandene Verein KulturRaum Rommelmühle e.V. gründete einen Kulturraum und ist seitdem an der Förderung einer lebendigen Nachbarschaft beteiligt. Somit bringen sich die Bewohner:innen in die Mitgestaltung des sozialen Umfelds und der Stadt aktiv ein (Archy Nova Projektentwicklung GmbH, o.J.).

In der ufaFabrik leben rund 35 Menschen. Gemeinsam mit 200 Mitarbeiter:innen der ufaFabrik arbeiten sie kontinuierlich daran, verschiedene gesellschaftliche Bereiche wie Wohnen, Arbeiten, Kultur, Kreativität und soziales Leben zu verbinden (Internationales Kultur Centrum ufaFabrik e.V., o.J.). Dabei ist die gemeinsame Vision der Schlüssel, um die Vereinbarkeit von Wohnen und Arbeiten im Einklang mit der Natur zu schaffen. Diese starke Vereinbarkeit von Wohnen und Arbeiten geht auf die ersten sechs Jahre zurück, als die Gemeinschaft aus einem gemeinsamen Fond lebte. Alle Einnahmen wurden gemeinschaftlich gesammelt und in das Projekt investiert, zuerst in die gemeinschaftlichen und öffentlichen Räume, später erst in die privaten. Heute ist der gemeinschaftliche Fond nicht mehr vorhanden, aber noch immer wird die ufaFabrik durch die dort lebenden und arbeitenden Menschen aktiv gestaltet (Niemer 2017, S. 1-2).

Erkenntnisse und Synergien 

Eine verträgliche Nutzungsmischung von Wohnen, Arbeiten und Dienstleistungen ist anzustreben und in vielen Projekten ist sie eine wichtige Voraussetzung, die zu einem gemeinschaftlichen Zusammenleben und einem lebendigen und vielfältigen Lebensumfeld beiträgt (Drexler & El khouli 2012, S. 84). Eine relativ hohe Siedlungsdichte und hohe Dichte an Versorgungseinrichtungen, Geschäften und Dienstleistungen tragen ebenfalls zu lebendigen Quartieren bei (Bott et al. 2018, S. 46-47), können aber auch zu Nutzungskonflikten wie Lärmemissionen und Störung der Privatheit führen. Dieses lässt sich durch organisatorische und gestalterische  Maßnahmen ausgleichen, beispielsweise durch eine gute Gliederung der Baukörper oder die Erstellung von Dachterrassen oder Loggien (Bott et al. 2018, S. 173). Eine kleinräumige funktionale und soziale Vielfalt in den Quartieren wirkt den Folgen der Segregation wie Spannungen in der Gesellschaft, Konflikten und psychischen Folgeproblemen entgegen (Bott et al. 2018, S. 178).

Quellen

ARCHY NOVA Projektentwicklung GmbH (o.J.): Ökozentrum Rommelmühle.
Abgerufen am 15.12.2021 von https://www.archy-nova.de/projekte/rommelmuehle/

BBSR  (Hrsg.) (2017): Nutzungsmischung und die Bewältigung von Nutzungskonflikten in Innenstädten, Stadt- und Ortsteilzentren – Chancen und Hemmnisse. Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumforschung (BBR). Ein Projekt der Allgemeinen Ressortforschung. BBSR-Online-Publikation 23/2017, Bonn, Oktober 2017. Abgerufen am 15.12.2021 von

Bott, H., Grassl, G. C. & Anders, S. (Hrsg.) (2018): Nachhaltige Stadtplanung. Lebendige Stadtquartiere, Smart Cities, Resilienz. 2. Aufl., München: DETAIL. 

Difu (2015): Nutzungsmischung und soziale Vielfalt im Stadtquartier – Bestandsaufnahme, Beispiele, Steuerungsbedarf. Deutsches Institut für Urbanistik gGmbH. Düsseldorf: Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen. https://difu.de/sites/difu.de/files/archiv/projekte/2015_09_endbericht-nutzungsmischung-und-soziale-vielfalt.pdf

Drexler, H. & El khouli, S. (2012): Nachhaltige Wohnkonzepte. 1. Aufl., München: Detail.

mb-netzwerk GmbH (o.J.): Wohnraum. Abgerufen am 15.12.2021 von https://rommelmuehle.de/die-muehle/wohnraum/

Niemer, S. (2017): Die Lebensgemeinschaft in der ufaFabrik. Abgerufen am 10.12.2021 von https://www.ufafabrik.de/sites/default/files/download/die-lebensgemeinschaft-in-der-ufafabrik-17.pdf

Internationales Kultur Centrum ufaFabrik e.V. (o.J.): Neues Leben alter Filmfabrik. Abgerufen am 10.12.2021 von https://www.ufafabrik.de/de/14269/okopioniere.html