Problem
Individualisierte Wohnformen beanspruchen im Vergleich zu Mehr-Personenhaushalten, in denen Küche, Bad und Flur gemeinsam genutzt werden, durchschnittlich eine höhere Pro-Kopf-Wohnfläche (Umweltbundesamt 2020). Die Reduzierung privater Wohnflächen ermöglicht das Schaffen großzügiger Gemeinschaftsflächen. Wie sehen Gestaltungsoptionen für gemeinsam genutzte Flächen aus? Welche räumlichen und organisatorischen Voraussetzungen müssen, für das Einrichten von Gemeinschaftsflächen erfüllt sein? Was können Gemeinschaftsflächen im Stadtgefüge bewirken?
Allgemeine Beschreibung
Gemeinschaftlich genutzte Flächen sind in der Regel Orte der Begegnung, die diverse Formen annehmen können: von Außenbereichen und Erdgeschossflächen, die gleichermaßen von Bewohner:innen, Nachbarschaft und Öffentlichkeit genutzt werden können, über Arbeits- und Gemeinschaftsräume für Bewohner:innen, bis hin zu Räumen, die in ihrer Nutzungszuordnung variieren (Optionsräume).
Beispiele
Das Spreefeld bietet nicht nur den Bewohner:innen, sondern auch der breiten Öffentlichkeit Zugang zu Gemeinschaftsflächen. So sind die Erdgeschossflächen frei zugänglich und öffentliche Wege auf dem Gelände wurden erhalten, sodass das Grundstück und das angrenzende Spreeufer erkundet werden können. Darüber hinaus verfügt das Spreefeld über gemeinschaftlich genutzte Terrassen und großzügige Balkone, die einerseits als Ausgleich zu den öffentlichen Flächen, andererseits als Erweiterung der Gemeinschaftsräume und Rückzugsort dienen.
Projekte wie Werkpalast Lichtenberg, ufaFabrik, Kalkbreite, Quartier WIR und wagnisART verfügen ebenso über großzügige Außenflächen zur gemeinschaftlichen Nutzung. Besonders hervorzuheben sind die Dachflächen des Projekts wagnisART, die durch Brücken miteinander verbunden sind, sodass eine Dachgartenlandschaft entsteht und so einen besonderen Gemeinschaftsraum und Ort der Begegnung bietet.
Erkenntnisse und Synergien
Die gemeinsame Nutzung von Räumen kann den Flächenverbrauch durch Mehrfachnutzungen und höhere Auslastungen reduzieren. Zugleich steht der Gemeinschaft insgesamt und gegenüber dem Individuum mehr Fläche zur Verfügung (Bahner & Böttger 2016, S.13; 147 ff). Meist bieten diese Räume und Flächen eine hohe Nutzungsoffenheit, wodurch der Gestaltungsspielraum sowie die Kommunikation unter den Bewohner:innen, der Nachbarschaft und in besonderen Fällen auch mit der Öffentlichkeit gestärkt wird.
Voraussetzung dafür, dass die Gemeinschaftsflächen einen tatsächlichen Mehrwert bieten, ist eine attraktive Gestaltung und Lage. Außerdem sollten Funktionen, Verbindungen und Grenzen zwischen öffentlichem, halb-öffentlichem und privatem Raum sowie gemeinschaftliche und kommerzielle Zwecke klar geregelt und berücksichtigt werden. Ist dies der Fall, kann die Präsenz und Verzweigung von Privatem und Öffentlichem dazu beitragen, ein erhöhtes Verantwortungsgefühl gegenüber dem Ort hervorzurufen und diesen zu beleben. Wie im Beispiel Spreefeld kann dies dazu führen, dass der öffentliche Raum als dauerhaft genutzt und bewohnt wahrgenommen wird (Soh 2019, S. 44; 60f). Solche Aspekte sind wichtig, damit sich die Bewohner:innen in ihrem Zuhause sicher und wohl fühlen, um die Integration des Projekts in der Nachbarschaft zu fördern sowie eine lebendige Stadt zu erzeugen.
Quellen
Bahner, O. & Böttger, M. (Hrsg.) (2016): Neue Standards – Zehn Thesen zum Wohnen. DAZ.
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) (o.J.): Wohngemeinschaft Werkpalast, Berlin-Lichtenberg. Abgerufen am 09.06.2021 von https://www.serviceportal-zuhause-im-alter.de/praxisbeispiele/weitere-programme/wohnen-fuer-mehr-generationen/wohngemeinschaft-werkpalast-berlin-lichtenberg.html
Soh, M. (2019): My home is wider than my walls: mapping the decisions made in the mixed-use housing cooperative Spreefeld to find how the public realm outcomes are achieved. Abgerufen am 09.06.2021 von http://www.aga.org.au/wp-content/uploads/2019/08/190701_Report_MelissaSoh.pdf
Umweltbundesamt (2020): Wohnfläche. Abgerufen am 14.04.2021 von https://www.umweltbundesamt.de/daten/private-haushalte-konsum/wohnen/wohnflaeche#altere-haushalte-belegen-viel-wohnraum