Planungsprinzipien für energieeffizientes Bauen
Lüftungsrohre im Inneren der Clusterwohnung im Spreefeld © Michael Prytula 2021

Problem

Die Herstellung und der Betrieb von Gebäuden stellt neben Mobilität, Ernährung, der Produktion von Gebrauchsgütern und der Stromproduktion einer der großen Sektoren des globalen Energieverbrauchs dar.
Mit Beginn der industriellen Revolution wurde der Energiebedarf zunehmend durch fossile Energieträger gedeckt, deren Verbrennung mit hohen Treibhausgasemissionen verbunden sind und die – neben anderen Faktoren – stark zur globalen Klimaerwärmung beitragen. Wie lassen sich Gebäude möglichst energiesparend herstellen, energieeffizient betreiben und mit regenerativen Energien versorgen? Welche elementaren Planungsprinzipien sind dabei zu berücksichtigen?

Allgemeine Beschreibung

Das energieeffiziente Bauen ist ein komplexes Themengebiet, das eine Zielzahl an Teilsystemen, Gestaltungs- und Konstruktionsmustern umfasst, die in einem eigenen “Musterkatalog” zu beschreiben sind. An dieser Stelle können nur einige zentrale Planungsprinzipien für den energieeffizienten Betrieb von Gebäuden dargestellt werden. Ansonsten sei auf die umfangreiche Fachliteratur und Ergebnisbericht von Forschungsprojekten verwiesen (u.a. Feist 1998, Voss et al. 2005, Hegger et al. 2007a, Hönger et al. 2009).

Bei der Bilanzierung von gebäudebezogenen Energienutzungen ist zunächst zwischen der Herstellung und dem Betrieb von Gebäuden zu unterscheiden. Die für die Herstellung und den Transport von Baumaterialien und Bauteilen aufgewendete Energie wird als graue Energie (Spreng 1994) bezeichnet und kann durch Lebenszyklusanalysen ermittelt werden. Die Herstellung vieler moderner Baumaterialien wie Beton, Stahl, Aluminium, Glas und Kunststoffe ist sehr energieintensiv. Durch den Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen, wie z.B. Holz, lassen sich die Energieaufwendungen reduzieren und die Herstellungsbilanz verbessern.

Hinsichtlich eines energieeffizienten Betriebs von Gebäuden ist im mitteleuropäischen Klima zwischen Wohnungsbau (“Winterproblemgebäude”) und Nichtwohnungsbau (“Sommerproblemgebäude”) zu unterscheiden, für die aufgrund divergenter Anforderungen auch unterschiedliche Energiekonzepte und konstruktive, räumliche und gebäudetechnische Maßnahmen erforderlich sind. Beim Wohnungsbau wird der größere Anteil des Energiebedarfs für eine komfortable Temperierung der Gebäude  im Winter und  für die saisonalen Übergangszeiten benötigt. Der Fokus liegt daher auf einer Reduktion von Wärmeverlusten, der Optimierung der passiven Solarenergienutzung und einer effizienten Wärmeversorgung (Feist 1998, Hönger et al. 2009). Der Energiebedarf im Nicht-Wohnungsbau wird hingegen überwiegend vom Energiebedarf für den sommerlichen Lüftungs- und Kühlbedarf, für Kunstlicht und andere nutzungsspezifische Energiebedarfe (z.B. Betrieb von IT-Servern) dominiert (Voss et al. 2005). Eine Optimierung der Tageslichtplanung, ein guter sommerlicher Wärmeschutz und Konzepte für eine weitgehend natürliche Belüftung spielen hier eine große Rolle. 

Bei der Konzeption energieeffizienter Gebäude sind folgende allgemeine Faktoren zu berücksichtigen, hier priorisiert von passiven zu aktiven Elementen (in Anlehnung an Feist 1998):

  1. Zieldefinitionen zu Komfortkriterien und Bauweisen, die sich aus den Nutzungsanforderungen und dem daraus abzuleitenden Raumprogramm ergeben.
  2. Klimagerechtes Bauen: Berücksichtigung der makroklimatischen (Klimazone, saisonalen Temperaturen, Feuchtigkeit, Sonnenintensität) und mikroklimatischen (Windschutz, Vegetation) Randbedingungen.
  3. Kompaktheit der Baukörper: Optimierung der Gebäudetypologie und der Oberflächen-Volumen-Verhältnisses (A/V – Verhältnis), um den geometrisch bedingten Wärmeverlust von Gebäuden zu minimieren.
  4. Optimierung der energetische Qualität der Hüllflächen: Konstruktionen mit  geringen U-Werten für den winterlichen Wärmeschutz, bauliche und technische Sonnenschutzeinrichtungen für den sommerlichen Wärmeschutz, Optimierung des Flächenanteils und der Orientierung von Fensterflächen, Vermeidung von Wärmebrücken.
  5. Optimierung der Gebäudedynamik: gute Speicherkapazität der Innenbauteile, um solare Wärmegewinne gut zu verwerten.
  6. Optimierung der haustechnischen Anlagen für Heizung, Lüftung und ggf. Kühlung.
  7. Integration von Systemen zur Gewinnung und Speicherung erneuerbarer Energien, wie Solarkollektoren, Fotovoltaik, Speichersysteme.
  8. Nutzerverhalten anpassen und Reboundeffekte vermeiden: Die Nutzer von Gebäuden brauchen ein Grundverständnis der energetischen Prozesse, damit sie mit ihrem Verhalten die intendierten Energieeinsparungen nicht konterkarieren.

Unter Berücksichtigung dieser Prinzipien gibt es verschiedene Planungsansätze, um das Ziel von energieeffizienten Gebäuden zu erreichen. Als weit verbreiteter Standard hat sich seit den 1990er Jahren die Passivhausbauweise und darauf aufbauend Null- oder Plusenergiegebäude etabliert.

Der Begriff Passivhaus bezeichnet einen Baustandard, der mit verschiedenen Bauweisen, Bauformen und Baumaterialien realisiert werden kann. Er ist eine Weiterentwicklung des Niedrigenergiehaus-(NEH-)Standards und kennzeichnet Gebäude, in denen ein behagliches Innenklima im Sommer wie im Winter ohne ein separates Heiz- oder Kühlsystem gewährleistet werden kann (Krapmeier & Drössler 2001). Als Grenzwerte gelten hierbei ein Heizwärmebedarf  von max. 15 kWh/m² Wohnfläche und Jahr und Primärenergiebedarf von max. 40 kWh/m2 Wohnfläche und Jahr. Grundlagen eines Passivhauses sind (1) die Minimierung der Wärmeverluste, (2) eine kontrollierte Wohnungslüftung mit Wärmerückgewinnung und (3) eine Optimierung der solaren Gewinne. Voraussetzung für das Passivhaus ist, dass die notwendige Frischluftmenge in der Lage ist, die erforderliche Wärme für die maximale Heizleistung zu transportieren. Das bedeutet für das Gebäude, dass die Energieverluste max. 10W/m² Wohnfläche betragen dürfen. Das erste Passivhaus wurde 1991 in Darmstadt-Kranichstein errichtet, zeitgleich mit dem energieautarken Solarhaus in Freiburg. 

Ausgehend von den Erfahrungen der Passivhausbauweise und Forschungen zu einem energieautarken Solarhaus (Voss 1997) sowie praxisorientierten Siedlungskonzeptionen (Disch 2010) und anderen wissenschaftlichen Untersuchungen zu klimaneutralen Gebäuden (Musall 2015) hat sich der Begriff Null- oder Plusenergiegebäude etabliert. Es handelt sich dabei zumeist um Passivhäuser, die durch gebäudeintegrierte Anlagen zur Gewinnung regenerativer Energien bilanziell im Jahr genauso viel oder sogar mehr Energie gewinnen, wie sie für ihren Betrieb benötigen. 

Darüber hinaus gibt es viele weitere Planungsansätze, wie Gebäudekybernetik (u.a. Pfeifer 2002, Tersluisen 2009), Low-Exergy (u.a. Leibundgut 2007), Lowtech-Bauweisen (u.a. Nagler et al. 2019) sowie Kombinationen von diesen Ansätzen (siehe z.B. 2226 von Baumschlager Eberle, in: Schoof 2014 und Aicher 2021), auf die hier nur hingewiesen werden kann (Prytula 2011, S.81-92).

Beispiele

Die drei Gebäude des Spreefeld verfügen über ein minimiertes Tragwerkssystem aus Stahlbeton mit einer Außenhülle aus einer nichtragenden, vorgefertigten Holztafelkonstruktion mit Zellulosedämmung. Diese ist mit einem U-Wert von 0,095 [W/m²K] hochwärmedämmend und passivhaustauglich (Carpaneto et al. 2011). An den Teilen, wo der Stahlbeton außenliegend ist, wurde mit einem Wärmedämmverbundsystem und mineralischem Putz gedämmt, ein U-Wert von 0,184 [W/m²K]. Die Fenster und Balkontüren bestehen aus Holzrahmen mit dreifacher Isolierverglasung und haben einen U-Wert von 0,86 [W/m²K]. Der Gesamtflächenanteil der Fenster beträgt ca. 43%, die nach Südost- und Südwest-orientierten Fenster haben einen außenliegenden Sonnenschutz. Die aus Betonfertigteilplatten gefertigten Balkone sind von den Geschossdecken thermisch getrennt. 

Die Wärmeversorgung erfolgt aus einer Heizzentrale mit einem erdgasbetriebenen Blockheizkraftwerk. Die Warmwasserbereitstellung wird durch Solarthermie unterstützt und elektrische Durchlauferhitzer erzeugt. Die gesamten Dachflächen sind mit Photovoltaikanlagen ausgestattet. Dezentrale Lüftungsanlagen sorgen für Zu- und Abluft mit Wärmerückgewinnung. Die kompakte Architektur ermöglicht eine flächen- und energiesparende Bauweise und durch eine langsame, nutzerangepasste Planung wurden besonders niedrige gemeinschaftliche Herstellungskosten realisiert. Für die Bewohnerinnen und Bewohner stehen recyclingrelevante Informationen zu den verbauten Stoffen zur Verfügung. Es wurden möglichst wenige Materialien mit beigemischten Zusätzen verbaut. Die Außenwände und -dämmung können zu einem geringen Teil kompostiert werden (Plaga et al. 2021).

Erkenntnisse und Synergien

In der Planung und Realisierung energieeffizienter Gebäude sind in den letzten 35-40 Jahren durch Forschung, technologische Entwicklungen, neue Simulationsverfahren sowie durch  geeignete rechtliche und ökonomische Rahmenbedingungen große Fortschritte gelungen. Um das übergeordnete Ziel einer klimaneutralen und nachhaltigen Wärmeversorgung zu erzielen, können verschiedene planerische und baulichen Strategien eingesetzt werden, wie z.B. Passivhaus, Null- und Plusenergiegebäude, Gebäudekybernetik, Low-Exergy.  Diese setzen jeweils unterschiedliche Schwerpunkte hinsichtlich der räumlich-baulichen, konstruktiven oder gebäudetechnischen Aspekte. In den letzten Jahren sind zudem Strategien der Sekorenkopplung entwickelt worden (Abwärmerückgewinnung aus Ab- oder Grauwasser, alternierende Speichernutzung für Elektromobilität und Gebäudetechnik), welche nicht nur die räumlichen Bilanzgrenzen verschieben.

Aus vielen Forschungen weiß man, dass das Nutzerverhalten eine große Rolle auf den tatsächlichen Energieverbrauch hat. Die konzeptionelle und technologische Robustheit der gewählten Maßnahmen spielt daher eine große Rolle sowie das Wissen um Reboundeffekte, wenn beispielsweise in energieeffizienten Gebäuden die beheizte Nutzflächen oder Raumluftemperaturen zunehmen, und Effizienzgewinne damit zunichte gemacht werden. Nicht zuletzt ist zu berücksichtigen, dass das energieeffiziente Bauen nur ein Teilsystem des nachhaltigen Bauens darstellt und dieses immer im Zusammenhang mit anderen Nachhaltigkeitszielen und Schutzgütern zu betrachten ist (Hegger et al. 2007a, 2007b). Energieeffiziente Gebäude sind aber ein unverzichtbarer Bestandteil von Strategien zur Realisierung einer energieeffizienten und klimaneutralen Stadt, wie beispielsweise die 2000-Watt-Gesellschaft.

Quellen

Aicher, Florian (2021): 2226 revisited. In: Bauwelt 22.2021, S. 36-43. Abgerufen am 10.05.2022 von  https://www.2226.eu/fileadmin/user_upload/aktuelles/Home_Aktuelles/Publikationen/20211029_2006_BUR_LUS_6202_2226_Lustenau_Clipping_Print_Bauwelt_Heft_22_DE.pdf

Carpaneto, Silvia et al. (2011): Baubeschreibung zur Genehmigungsplanung, Stand 16.12.2011. Silvia Carpaneto – FAT KOEHL- BAR architekten gemeinschaft, Berlin

Disch, Rolf (2010: Häuser als Kraftwerke. Neue Siedlungen von Rolf Disch SolarArchitektur. Das Prinzip Plusenergie. Abgerufen am 10.05.2022 von  http://www.rolfdisch.de/wp-content/uploads/BROSCHUERE_HA%CC%88USER_ALS_KRAFTWERKEEINZELSEITENSEITEN-1.pdf

Feist, Wolfgang (1998): Das Niedrigenergiehaus. C.F. Müller Verlag, Heidelberg 

Hegger, Manfred et al. (2007 a): Energie Atlas: Nachhaltige Architektur (Detail Atlas). Autoren: Manfred Hegger, Matthias Fuchs, Thomas Stark, Martin Zeumer.  Birkhäuser Verlag AG: Basel 

Hegger, Manfred et al. (2007 b): Bewertung der Nachhaltigkeit von Gebäuden anhand von 20 Beispielprojekten als konkrete Handlungslinie und Arbeitshilfe für Planer. Abschlussbericht des Forschungsvorhabens gefördert unter AZ 24084-25 durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU). Autoren: Manfred Hegger, Matthias Fuchs, Thomas Stark, Martin Zeumer. Abgerufen am 12.05.2022 von  https://www.dbu.de/OPAC/ab/DBU-Abschlussbericht-AZ-24084.pdf

Hönger, Christian et al. (2009): Das Klima als Entwurfsfaktor / Climate as a design factor. 1. Band der Reihe Laboratorium, Hochschule Luzern, Autoren: Christian Hönger, Roman Brunner, Urs-Peter Menti, Christoph Wieser. Quart Verlag, Luzern

Krapmeier, Helmut;  Drössler, Eckart (2001): Cepheus – Wohnkomfort ohne Heizung. Schlussdokument des Projektes Cepheus Austria 1998-2001 – Wien: Springer

Leibundgut, Hansjürg (2007): viaGialla. Wegbeschreibung für Gebäude in eine nachhaltige Energie-Zukunft. Version 2.1

Musall, Eike (2015): Klimaneutrale Gebäude – Internationale Konzepte, Umsetzungsstrategien und Bewertungsverfahren für Null- und Plusenergiegebäude. Vollständiger Abdruck der von der Fakultät für Architektur und Bauingenieurwesen der Bergischen Universität Wuppertal genehmigten Dissertation. Abgerufen am 10.05.2022 von  http://elpub.bib.uni-wuppertal.de/edocs/dokumente/fbd/architektur/diss2015/musall/dd1507.pdf

Nagler, Florian et al. (2019): Einfach Bauen. Endbericht des Forschungsvorhabens “Einfach Bauen. Ganzheitliche Strategien für energieeffizientes, einfaches Bauen – Untersuchung der Wechselwirkung von Raum, Technik, Material und Konstruktion” gefördert vom BBSR Zukunft Bau, Förderkennzeichen SWD-10.08.18.7-16.29. Autoren: Florian Nagler, Tilmann Jarmer, Anne Niemann, Antonia Cruel, Thomas Auer, Laura Franke, Hermann Kaufmann, Stefan Winter, Stephan Ott, Marco Krechel, Christoph Gehlen, Charlotte Thiel. Fraunhofer IRB Verlag. Abgerufen am 10.05.2022 von https://www.einfach-bauen.net/wp-content/uploads/2019/04/einfach-bauen-schlussbericht.pdf

Pfeifer, Günter (2002): Das kybernetische Prinzip. in: Der Architekt 11/2002, 37-44

Plaga, Tim et al. (2021):  Projektdokumentation Spreefeld. Seminar Theorie und Praxis sozial-ökologischer Modellprojekte im WIntersemester 2020/21. Autoren: Tim Plaga, Johannes Popp, Nioosha Ravanshadi, Katharina Schürmann, Ulrike Silz, Lajana Tiedke. Fachhochschule Potsdam 

Prytula, M. (2011): Ein integrales Energie- und Stoffstrommodell als Grundlage zur Bewertung einer nachhaltigen Entwicklung urbaner Systeme. Dissertation an der TU Berlin, Universitätsverlag der TU Berlin. Abgerufen am 10.05.2022 von  https://depositonce.tu-berlin.de/handle/11303/3425

Schoof, Jakob (2014): Haus ohne Heizung: Bürogebäude von Baumschlager Eberle in Lustenau. In: Detail. Abgerufen am 10.05.2022 von  https://www.detail.de/de/de_de/haus-ohne-heizung-buerogebaeude-von-baumschlager-eberle-in-lustenau-11703

Spreng, Daniel (1994): Graue Energie, Hochschulverlag Zürich / B.G. Teubner Stuttgart/Leipzig

Tersluisen, Angèle (2009): Effizienz als Prinzip. Planungstools für klimagerechtes Bauen. in: Der Architekt 03/2009: Ästhetik der Ökologie, Aufbruch in die klimatische Moderne, wiederveröffentlicht 04.04.2019. Abgerufen am 10.05.2022 von   http://derarchitektbda.de/effizienz-als-prinzip/

Voss, Karsten (Hrsg.) (1997): Konzeption und Bau eines energieautarken Solarhauses Schlussbericht. – Stuttgart: Fraunhofer IRB Verlag

Voss, Karsten et al. (2005): Bürogebäude mit Zukunft. Konzepte, Analysen, Erfahrungen. Autoren: Karsten Voss, Günther Löhnert, Sebastian Herkel, Andreas Wagner, Matthias Wambsganß (Hrsg.). Berlin: Solarpraxis GmbH.