Design für Demontage
Holzkonstruktion von c13, Kaden Klingbeil Architekten © Bernd Borchardt

Problem

Im Bausektor gibt es einen sehr hohen Ressourcenverbrauch und bisher eine geringe Wiederverwendungs- und Wiederverwertungsquote. Wenn ein Gebäude nicht mehr weiter genutzt werden kann und abgerissen wird, werden die Bauabfälle zumeist auf Deponien entsorgt oder verbrannt. Eine wesentliche Ursache dafür sind schwer oder nicht lösbare Konstruktionsverbindungen und die Verwendung eines hohen Anteils an Verbundwerkstoffen. Wenn Gebäude dekonstruiert anstatt abgerissen würden, könnten der Verbrauch von Baumaterialien der Abbau von Primärressourcen reduziert werden. Doch wie kann dies umgesetzt werden?

Allgemeine Beschreibung

Die Möglichkeiten zum Recycling von Bauteilen sind sehr durch die Konstruktionsweise bestimmt. Ein Design für Demontage nimmt bei der Wahl der Konstruktionsweisen auch zukünftige Nutzungen sowie mögliche Veränderungen den Rückbau von Gebäuden in den Blick. So können später Komponenten, Systeme und Materialien beim Rückbau eines Gebäudes zurückgewonnen und wiederverwendet werden. Indem diese wiederverwendet, repariert, wiederaufbereitet, wiederverwertet (recycelt) werden oder ein Upcycling durchlaufen, können Umweltauswirkungen minimiert und der wirtschaftliche Wert gesteigert werden (Guy & Ciarimboli 2003, S. 3-4). Erst an letzter Stelle der Verwertungsmöglichkeiten stehen der biologische Abbau oder die Energiegewinnung aus den Materialien. 

Grundlegend für das Design für Demontage ist die Entwicklung einer Kreislaufwirtschaft, in der Stoffkreisläufe geschlossen werden – weg von einer linearen Wirtschaftsweise. Es gilt eine vollständige Rückgewinnung von Baumaterialien und Wertstoffen aus dem “urbanen Ökosystem” im Hochbau zu erreichen. Dafür ist die Trennung von Materialströmen erforderlich (Hillebrandt et al. 2018, S. 6). Eine besondere Herausforderung stellt die Kreislaufwirtschaft im Bereich der mineralischen Baustoffe dar (Hillebrandt et al. 2018, S. 10). Ein Beispiel hierfür ist das Cradle-to-Cradle-Prinzip, wobei wiederverwendete und recycelte Materialien in neue umgewandelt werden. Um das Entsorgen, Kompostieren oder Verbrennen aus dem zukünftigen Rückbauprozesses zu minimieren, sollten bei der Gestaltung zehn Schlüsselprinzipien im Sinne der Reduktion des Verbrauchs von Ressourcen (Reduse), der Wiederverwendung (Reuse) und Wiederverwertung (Recycling) angewendet werden (Guy & Ciarimboli 2003, S. 6):

  1. Materialien und Methoden für den Rückbau dokumentieren.
  2. Kreislauffähige und nachwachsende Materialien nach dem Vorsorgeprinzip auswählen.
  3. Verbindungen so gestalten, dass sie zugänglich sind.
  4. Minimieren oder eliminieren Sie giftige und unlösbare Verbindungen.
  5. Verwenden Sie geschraubte, verschraubte und genagelte Verbindungen.
  6. Trennen Sie mechanische, elektrische und sanitärtechnische Systeme (MEP).
  7. Konstruieren Sie für Handwerker:innen und die Arbeit der Trennung.
  8. Einfachheit der Struktur und Form.
  9. Auswechselbarkeit.
  10. Sicherer Rückbau.

Beispiele

Im Projekt Kalkbreite wurde die Rückbaubarkeit und Möglichkeit eines Umbaus bereits in der Planung berücksichtigt. So wurde ein Tragwerk aus einer Stahlbeton-Skelett-Konstruktion mit nicht tragenden Außenwänden als vorgesetzte Holzrahmenkonstruktionen realisiert, um auf mögliche zukünftige Bedürfnisse mit wenig Aufwand reagieren zu können. Die Holzrahmenkonstruktion wurde vorgefertigt und ermöglichte somit ein effektives und schnelles Schließen der Baustelle sowie eine Systemtrennung in Primär-, Sekundär-, und Tertiärsysteme. Erweiterungselemente können eingefügt werden, ohne angrenzende Bauteile zu beschädigen. Die technischen Maße dafür wurden dokumentiert und sind leicht zugänglich. Zudem erfolgte die Materialauswahl unter den Aspekten der Schadstofffreiheit, Wiederverwertbarkeit und Erneuerbarkeit.

Bereits in die Planungsphase wurde ein durch die Gemeinschaft erstelltes Rückbau- und Betriebskonzept einbezogen. Ergänzend steht online für alle zugänglich eine Nutzungsanleitung für das Gebäude zur Verfügung (Genossenschaft Kalkbreite o.J.). Diese dient der Informationsbereitstellung sowie dem Ziel, Instandhaltungskosten gering zu halten.  

Dem Demontage- und Cradle-to-Cradle-Prinzip folgend ist das verbaute Holz des “Solaren Direktgewinnhauses N11” unbehandelt und es wurden nur Holzdübel und Schraubverbindungen verwendet – auf Leim und Verbundwerkstoffe wurde verzichtet. Die Sanitärobjekte stammen aus einem Secondhand-Materiallager (Adam 2016, S. 45).

Planung des wiederverwendbaren Bausystems im Circle House © GXN

Erkenntnisse und Synergien

Die Demontage von Komponenten und Materialien zielt darauf ab, die Umweltauswirkungen durch Reparatur, Wiederverwendung, Materialrückgewinnung und Wiederaufarbeitung zu minimieren. Sie ist eine wichtige Strategie zur Einsparung von Rohstoffen (Rios et al. 2015, S. 1297). Wenn diese Strategie von Anfang an berücksichtigt wird, ermöglicht sie spätere Flexibilität, Umrüstbarkeit und Rückbau des gesamten Gebäudes. Darüber hinaus sieht das Design für Demontage die Verwendung wiederverwendbarer, ungiftiger und erneuerbarer Materialien vor, um nachhaltige Gebäude zu gewährleisten. Das Ziel einer effizienten Rohstoffnutzung kann zudem über Vermeidung, Verringerung und Langlebigkeit erreicht werden. Verändertes Produktdesign, zirkuläre Wirtschaftsprozesse und Eigentümerverantwortung, neue Materialien und Re-Design gehören ebenso dazu wie Veränderungen im Verhalten der Nutzer:innen und reduktive Praktiken in der Baukultur (Hillebrandt et al. 2018, S. 6).

Bereits in der Planung eines Gebäudes sollte geklärt werden, wie verwendete Materialien am Ende ihrer Lebensdauer wieder-, weiterverwendet oder etwa zurückgegeben werden können. Dabei können Lebenszyklusanalysen hilfreich sein. Zudem kann die Strategie des Designs für Demontage die Nutzungsdauer eines Bauwerks verlängern, da Reparaturen und eine Renovierung mit weniger Auswirkungen auf das Gesamtgebäude vorgenommen werden können. 

Die Demontage erfordert mehr Zeit und Kosten als der Abriss von Gebäuden – insbesondere dann, wenn Gebäude ohne Überlegungen zur Wiederverwendung von Materialien nach der Lebensdauer der Gebäude errichtet werden. Ein Schlüssel zur Kostensenkung ist die Vorfertigung und Standardisierung von Gebäudeteilen, modulare Konstruktionen und die Rückverfolgung von eingebauten Materialien etwa mittels eines Materialpasses (Vgl. Guy & Ciarimboli 2003, S. 4).

Quellen

Adam, H. (2016): Ungehobelt. In: db deutsche bauzeitung 03/2016. Konradin Medien GmbH, 43-46. Abgerufen von http://www.n11.ch/download/dt-bauzeitung3-16.pdf 

Genossenschaft Kalkbreite (o.J.): Anleitung Kalkbreite. Richtig nutzen. Abgerufen am 20.12.2021 von https://anleitung.kalkbreite.staging-flake.tk/betrieb/richtig-nutzen.html

Guy, B. & Ciarimboli, N. (2003): Design for Disassembly in the built environment. City of Seattle: WA, Resource Venture, Inc. Pennsylvania State University. Abgerufen von https://www.lifecyclebuilding.org/docs/DfDseattle.pdf

Hillebrandt, A., Riegler-Floors, P. Rosen, A. & Seggewies, J.-K. (2018): Atlas Recycling. Recycling als Materialressource. 1. Auflage, München: Detail Business Information GmbH. 

Rios, F. C., Chong, W. K., & Grau, D. (2015): Design for disassembly and deconstruction-challenges and opportunities. In: Procedia engineering, 118, 1296-1304.